Psychologie für Gesunde?
Im Gegensatz zur klassischen Psychologie, die die „Reparatur“ des Patienten in den Mittelpunkt stellt und negative Symptome lindert, widmet sich die „Positive Psychologie“ den positiven Aspekten im (gesunden) Menschen: dem Wohlbefinden, der Lebenszufriedenheit und Charakterstärken.
Die Positive Psychologie beschäftigt sich mit der Frage, was das Leben am meisten lebenswert macht. Zentrale Themen sind das positive Erleben, positive Eigenschaften sowie positive Institutionen. Im Vordergrund steht dabei ein Menschenbild, das darauf ausgerichtet ist, Menschen zu ermöglichen, individuelle Stärken zu erkennen, einzusetzen und weiter zu pflegen.
Notwendigkeit der positiven Abzweigung
Ryan Niemiec, führender Wissenschaftler im Gebiet der Positivien Psychologie bringt in seinem Buch „Charakterstàrken“ die bisher existierende defizitäre Fokussierung der psychologischen Forschung folgendermassen auf den Punkt:
Über ein Jahrhundert lang hat die Psychologie als Disziplin ihr Hauptaugenmerk darauf gerichtet, Defizite zu beheben, Probleme anzugehen und anderen dabei zu helfen, ihr Leiden zu mildern.
Positive Psychologie ist eine Abzweigung der klassischen, sogenannten klinischen, schwächen-orientierten Psychologie und ist aus der Vernachlässigung positiver Themen vor mehr als zwanzig Jahren entstanden. Der Gründer der Positiven Psychologie Martin Seligman wurde 1998 zum Präsidenten der American Psychological Association gewählt und sprach bei seiner Antrittsrede über Notwendigkeit den Fokus auf die positiven Aspekte menschlichen Lebens zu richten.
Woher kommt das Wort „positive“?
Das Wort „positive“ entspricht auf der Scala von minus 10 bis plus 10 dem Bereich „Null bis plus 10“. Dabei ist Null ein neutraler Zustand, ohne Leiden, aber auch ohne Freude. Die für Diagnosen wichtige Klinische Psychologie entspricht dem Bereich „minus 10 bis Null“ und beschäftigt sich mit klinisch diagnostizierten Menschen in Leidenssituationen, zum Beispiel pathologischen Zuständen, Depressionen, Krisen. Positive Psychologie ergänzt mit fundierten Interventionen die klinische Psychologie und fördert das Glücksempfinden, Sinnhaftigkeit und Lebenszufriedenheit (Ebner, 2019).
Psychologie für Gesunde?
Positive Psychologie erforsch das gute Leben und richtet sich nicht an psychisch belastete Menschen, sondern an Menschen sich über den Null-Punkt des subjektiven Wohlbefindens die Lebenszufriedenheit steigern oder stabilisieren möchten. Es geht in der Positiven Psychologie mehr als Abwesenheit von Krankheit, was eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung für psychische Gesundheit ist (Ruch und Proyer, 2011).
Bereiche wie Optimismus, Courage, positive Emotionen, Flow, oder wie Seligman nannte „A new science of human strenghts“ wurden seit 2001 beforscht und praktisch aufbereitet.
Bereiche:
Emotionen, Stärken, Grundbedürfnisse, Motivation, Attribution, Selbstregulation, Selbstmitgefühl, Sinn, Ziele
Quellen:
Ebner, M. (2019). Positive Leadership. Erfolgreich führen mit PERMA-Lead: die fünf Schlüssel zur High Performance. Facultas.
Niemiec, R. (2019). Charakterstärken: Trainings und Interventionen für die Praxis. Hogrefe.
Ruch, W., & Proyer, R. T. (2011). Positive Psychologie: Grundlagen, Forschungsthemen und Anwendungen. Report Psychologie, 36, 60-70.
Foto: Oleksandr Pidvalnyi: Pexels